Weltstars zu Gast auf dem Zollikerberg
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25. Oktober 2022 – Während 16 Jahren luden die SP-Politikerin Esther Meier, ihr Mann Gerhard und ihre Freunde Pia und Felix Klaus regelmässig zu einem privaten «Kulturabend» ein. Die Starsopranistin Edita Gruberova trat ebenso auf wie der Oscar-Preisträger und Filmregisseur Xavier Koller. Corona hat dem beliebten Anlass ein Ende bereitet. (1 Kommentar)
25. Oktober 2022 – Während 16 Jahren luden die SP-Politikerin Esther Meier, ihr Mann Gerhard und ihre Freunde Pia und Felix Klaus regelmässig zu einem privaten «Kulturabend» ein. Die Starsopranistin Edita Gruberova trat ebenso auf wie der Oscar-Preisträger und Filmregisseur Xavier Koller. Corona hat dem beliebten Anlass ein Ende bereitet.
Angefangen hatte alles in Prag. Das Ehepaar Esther und Gerhard Meier war mit seinen Freunden Pia und Felix Klaus auf einer Veloreise und hatte in der tschechischen Hauptstadt das Dvoràk-Museum besucht, das dem grossen böhmischen Komponisten gewidmet ist.
Im Anschluss daran sassen die Vier bei einem Kaffee zusammen und fragten sich, warum sie nicht einmal bei sich daheim irgendeine Form kultureller Abendveranstaltungen organisierten. Eine Art Salon oder Kleintheater, in dem Kunstschaffende aller Art eine Probe ihres Könnens zeigen würden.
Meiers boten an, dass man mal einen Versuch in ihrem Haus im Zollikerberg machen könnte. Gesagt, getan. Die Paare luden rund 30 Freundinnen, Nachbarn und andere Bekannte zu einem «Kulturabend» mit anschliessendem Essen ein: «Wir hatten ja keine Ahnung, ob das funktionieren würde», erinnert sich Esther Meier, «also haben wir einfach mal losgelegt.»
60 Stühle, Gläser, Teller, Desserschalen
Der erste Gast war der Musikwissenschaftler Urs Fässler, der auf Radio DRS 2 seine eigene Sendung hatte. Sein Referat zu Franz Schuberts «Unvollendeter» trug den Titel «Eine Reise durch die Innenwelt.» Fässler war ein Volltreffer. «Er hat grosses Charisma und konnte die Leute mit seinem Vortrag packen», sagt Gerhard Meier, der selber von Beruf Violinist ist. Die Begeisterung sei so gross gewesen, dass man Fässler weitere sieben Mal eingeladen habe. Damit habe man das Format erproben und eine gewisse Bekanntheit erreichen können.
Die vier Gastgeber merkten, dass sie maximal 60 Personen in Meiers Wohnzimmer unterbringen konnten. Mehr ging nicht. Entsprechend deckte man sich ein: 60 Klappstühle, 60 Wein- und 60 Wassergläser, 60 grosse und 60 kleine Teller, 60 Dessertschalen. Rund sechsmal pro Jahr veranstalteten sie einen «Kulturabend», den sie gemeinsam vorbereiteten.
Die beiden Männer räumten die Stube aus und holten die Klappstühle aus dem Keller. Dann platzierten sie Gläser und Teller, während die beiden Frauen das Essen vorbereiteten. Mal gab es Risotto, ein anderes Mal ungarisches Gulasch, auch Raclette stand auf dem Speiseplan, zum Dessert Apfelchüechli, Tiramisu oder Fruchtsalat.
Am nächsten Tag habe man zu Viert geputzt, abgewaschen, das Geschirr wieder versorgt, Reste gegessen und den Abend nochmals Revue passieren lassen. Der Aufwand, so Esther Meier, sei «riesig» gewesen, aber es habe immer «wahnsinnig viel Spass gemacht» und die Freundschaft zum Ehepaar Klaus nochmal vertieft.
Als Jacky Donatz kochte
Besonders inspirierend sei die Suche nach interessanten Kulturschaffenden gewesen. Schnell einmal wurde klar, dass sie viel Abwechslung liefern wollten. Darüber hinaus war es ihr Ziel, ein Programm zu gestalten, das sich abhob von den Zürcher Kulturhäusern. «Wir wollten etwas Besonderes bieten», sagt Esther Meier, «sonst hätte es ja keinen Grund gegeben, zu uns zu kommen.»
Das sei ihnen gelungen, konstatiert ihr Mann mit Stolz in der Stimme. Sie seien extrem divers aufgestellt gewesen und hätten nahezu alle Kunstrichtungen von Musik über Malerei bis zu Literatur, Theater und Architektur abgedeckt. Dazu sei es ihnen gelungen, echte Stars bei sich zu präsentieren wie die Sopranistin Edita Gruberova, die Schriftsteller Adolf Muschg und Eveline Hasler, Literaturprofessor Peter von Matt, die Filmregisseure Rolf Lyssy und Xavier Koller, dazu die Schauspielerin Maria Becker und den Spitzenkoch Jacky Donatz, der gerade selber für die grosse Gästeschar gekocht habe. Regelmässig sei auch Thomas Sarbacher als Vorleser literarischer Texte bei ihnen aufgetreten, ein bekannter Schauspieler, der viel auch im «Tatort» und anderen Fernsehkrimis zu sehen ist.
Auf die Ideen für die Gestaltung eines Abends seien sie auf ganz unterschiedliche Art gekommen. Mal sei es ein Buch gewesen wie «Wörterleuchten» von Professor von Matt, das sie begeisterte und zu einer Einladung animierte. Mal habe der Kontakt zu einem Angehörigen als Türöffner gewirkt wie im Fall von Maria Becker, wo der Sohn den Draht zu seiner Mutter herstellte. Mal war es ein Museumsbesuch, bei dem sie den Direktor kennenlernten und von dessen Wissen und rhetorischen Fähigkeiten beeindruckt waren. So geschehen im Fall von Helmut Reichenauer, dem Direktor des Wiener Johann Strauss-Museums, der im Zollikerberg die verschiedenen Persönlichkeiten der Dynastie Strauss vorstellte.
Edita Gruberova schätzte das Gespräch
Dass solche Spitzenleute überhaupt zu ihnen, einem privaten Veranstalter in sehr beengten räumlichen Verhältnissen, gekommen seien, habe verschiedene Gründe gehabt. Zum Einen hätten sie angemessene, ja, man dürfe sagen grosszügige Gagen gezahlt und einen Gast aus dem Ausland auch einmal bei sich beherbergt, bevor sie ihm am Folgetag noch den Rheinfall von Schaffhausen zeigten. Um all diese Kosten, aber auch die Ausgaben für Essen und Trinken zu decken, habe man bald nach dem Start im Jahr 2004 damit begonnen, pro Person 30 Franken Eintritt zu verlangen. Auch das habe nicht immer gereicht, aber dann hätten sie halt den Rest aus dem eigenen Portemonnaie dazugelegt: «Geld, das andere Leute für einen Besuch im Opernhaus Zürich mit anschliessendem Nachtessen ausgeben.»
Attraktiv sei die Teilnahme am «Kulturabend» für die Prominenten aber auch deshalb gewesen, weil sie im Anschluss an ihren rund 60 bis 75 Minuten dauernden Auftritt noch die Gelegenheit hatten, mit ihrem Publikum ins Gespräch zu kommen. Viele seien geblieben, hätten mitgegessen und sich mit den Leuten unterhalten, wie sie es nach einem Auftritt an einem grossen Theater oder der Scala in Mailand niemals erleben würden: «Edita Gruberova, die ja bis zu ihrem Tod in Zollikon gewohnt hat, schätzte es ungemein, einmal mit den Menschen aus ihrem Wohnort ins Gespräch zu kommen.»
Ihre Website www.kulturabend.ch , auf der sie wie auf einer Visitenkarte alle Veranstaltungen zusammenfassten und mit Fotos ergänzten, zeigt die ganze thematische Bandbreite, aber auch das Niveau ihrer Anlässe. Mit der Zeit hätten sich immer wieder auch Kunstschaffende von sich aus bei ihnen gemeldet. So zum Beispiel ein Jazz-Trio, dem man aber leider habe absagen müssen, weil sie zu viel Platz gebraucht hätten und für ein Wohnzimmer zu laut gespielt hätten.
Abgesehen von der Website gab es keine weitere Werbung, weder Inserate noch Flyer oder Plakate: «Wir hätten nur weitere Leute enttäuschen müssen, für die es schlicht keinen Platz mehr hatte», erinnert sich Esther Meier.
Die 75. Ausgabe war die letzte
2020 machte ihnen Corona einen dicken Strich durch die Rechnung. Erstmals mussten sie im grossen Stil Veranstaltungen absagen und sich fragen, ob sie diese auf später vertagen wollten. Doch die Pandemie blieb unberechenbar und führte dazu, dass sie sich nach 16 Jahren dazu entschlossen, den «Kulturabend» zu beenden. Am 11. Januar 2020 präsentierten sie die 75. Ausgabe mit dem Direktor des Wiener Johann Strauss-Museums, wobei sie damals noch nicht wussten, dass es ihr letzter Anlass sein würde.
Fragt man sie heute, ob sie es bereuen, einen Schlussstrich gezogen zu haben, denken beide lange nach. «Vielleicht ein bisschen», wagt sich Ester Meier als Erste hervor, die in diesem Jahr auch von ihrem Amt als SP-Kantonsrätin zurückgetreten ist. Ihr Mann betont mehr, dass für sie, beide um die 70, ein neuer Lebensabschnitt beginne: «Zeit für andere Projekte und das Zusammensein mit den Enkelkindern stehen nun im Zentrum.»
Ihr Publikum – zuletzt hatten die Gastgeber rund 200 Namen in ihrer Adresskartei – habe grosse Enttäuschung gezeigt: «So schade, dass Ihr aufhört!», sei die häufigste Reaktion gewesen. (bl)
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Lese heute zum 1. Mal davon……schade, daß es nicht mehr stattfindet. Hätte mich sehr interessiert