Wer sind wir eigentlich? Und was wollen wir?

0 KOMMENTARE

14. März 2024 – Beim «Auftaktforum Ortskernentwicklung Zollikerberg» wünschten sich die 70 Teilnehmenden am letzten Samstag mehrheitlich einen niederschwelligen Treffpunkt. Der Lebensraum-Planer Götz Datko präsentierte eine interessante «Sicht von Aussen».

Wohnen, arbeiten und einkaufen im künftigen Zentrum? Lieber nicht (Fotos: ZN/zVg)
Wohnen, arbeiten und einkaufen im künftigen Zentrum? Lieber nicht (Fotos: ZN/zVg)

VON RENE STAUBLI

Begrüsst wurde das überwiegend ältere Publikum von Gemeinderat Patrick Dümmler in der Turnhalle Rüterwis. Es herrschte gute Laune, denn die meisten hatten bereits ihren Kaffee und ihr Gipfeli gehabt. Der ehemalige «Arena»-Gastgeber Reto Brennwald übernahm die Moderation der Veranstaltung, bei der es darum ging, Ideen zu sammeln, wie das Ortszentrum Zollikerberg und die nahe Grünoase Roswies neu gestaltet und belebt werden könnten.

Ortszentrum Zollikerberg (links) und Grünoase Roswies (rechts)
Ortszentrum Zollikerberg (links) und Grünoase Roswies (rechts)

Die Teilnehmenden bekamen im Laufe des Morgens Gelegenheit, an «Arbeitsinseln» ihre Vorstellungen zur Zukunft des Zentrums Zollikerbergs mit orangen Klebepunkten und Ideen auf farbigen Zetteln kundzutun. Was unter dem Strich herauskam, war erwartbar.

Wie vor 30 Jahren, als eine vergleichbare Übung durchgeführt wurde, wollten die einen die Roswies als «grüne Lunge» mit Familiengärten erhalten, während die andern für die Überbauung mit Genossenschaftswohnungen plädierten.

Wie damals wollten die einen das Areal mit dem Chramschopf, dem Gerensaal, den Freizeitpavillons, dem Spielplatz und dem Restaurant Rosengarten so belassen, wie es ist, während die anderen von einer auch städtebaulich attraktiveren Begegnungsstätte träumen.

Auffällig ist, dass der Wunsch nach einem Zentrum mit Wohnungen, Räumen fürs lokale Gewerbe, kleineren Läden und Artzpraxen im Vergleich deutlich abgenommen hat.

Die Erkenntnisse von 1994, niedergeschrieben in einem achtseitigen Flyer mit dem Titel «DRÜ Z» hätten aber auch an diesem Samstag entstehen können. Damals schrieben die Verfasser: «Wir wünschen uns einen Begegnungsort, wo sich jedermann wohl fühlen kann. Einen Platz, der uns einlädt zum Einkaufen, Verweilen, Spielen, Ausführen verschiedener Aktivitäten, jahrein, jahraus, an Werk- wie an Sonntagen, bei Sonnenschein und Regenwetter.» Kurzum: einen Treffpunkt für alle. Einzig bei den Läden gehen die Wünsche auseinander.

Unterhaltsame Spielerei

Zugegeben, die Aufbereitung der Diskussionsbeiträge hat sich seither markant verändert. Die Teilnehmenden mussten ihre Handys mitbringen. Sie konnten sich mittels QR-Code auf einer Plattform einloggen, eine Reihe von Fragen online beantworten und absenden. Wie durch Zauberhand erschienen die Resultate subito und grafisch animiert auf der grossen Leinwand. Eine unterhaltsame Spielerei, vom Ergebnis her aber eher bescheiden.

Die interessantesten Informationen des Tages bekam das Publikum von Götz Datko, einem Mitarbeitenden der Zürcher Firma Kontextplan, die Lebensräume gestaltet. Er vermittelte den Anwesenden seine «Sicht von Aussen». Einerseits städtebaulich: «Das Zentrum Zollikerberg ist als solches nicht erkennbar, von welcher Seite her man sich auch nähert, trifft man auf Hinterhofatmosphäre, der Ort lebt nicht – da besteht grosses Entwicklungspotenzial.»

Er warf aber auch die Frage auf, für wen dieses Zentrum eigentlich geschaffen werden soll. Für die Bevölkerung natürlich. Ja, aber die setzt sich sehr heterogen zusammen, wie das Publikum erfuhr.

«Bürgerliche Oberschicht» erodiert

Seine Ausführungen illustrierte Datko mit einer Grafik, die politischen Zündstoff enthält: Die «bürgerliche Oberschicht», der langjährige Sockel des überwiegend freisinnigen Zollikons, erodiert seit 1990 massiv. Ihr Anteil hat sich seit 1990 glatt halbiert. Sie pflegt «ein luxusorientiertes, prestigeträchtiges Freizeitverhalten und zeichnet sich durch eine grossräumige Alltags- und Freizeitmobilität aus». Im Dorf macht sie fast 16 Prozent aus, im Berg rund 13 Prozent. Die Angaben stammen vom Zürcher Beratungs- und Forschungsunternehmen Fahrländer und Partner.

Umgekehrt hat sich der Anteil der «urbanen Avantgarde» in den letzten 30 Jahren fast verdreifacht. Es handelt sich um «überdurchschnittlich junge, gut verdienende Individuen», die «einen stadtbezogenen Lebensstil führen und häufig beruflich und privat im Ausland unterwegs sind». Neben dem «hohen und flexiblen Arbeitspensum» gestalten sie ihre Freizeit «intensiv und meist ausserhalb der Wohnung». Die «urbane Avantgarde» macht im Dorf 20 Prozent und im Berg überraschend hohe 27 Prozent aus.

Die Menschen im Zollikerberg seien inzwischen insgesamt «progressiver und urbaner» als die Bevölkerung im Dorf, stellte Datko fest. Entsprechend hätten sich die Wohnungspreise und Einkommensverhältnisse jenen im Dorf angeglichen.

Aufstieg der «urbanen Avantgarde» (Quelle: Fahrländer Partner)
Aufstieg der «urbanen Avantgarde» (Quelle: Fahrländer Partner)

Wer ist das Zielpublikum?

Wer gehört denn nun zum Zielpublikum des Zentrums Zollikerberg? Ist es die Oberschicht oder eher die Unter- und Mittelschicht, die im Berg knapp die Hälfte der Bevölkerung ausmacht? Den beiden Gruppierungen mit tieferem Lebensstandard werden in der Studie Eigenschaften wie Ordnung, Familiensinn, Gemeinsinn, Pflichterfüllung, niedrigere Einkommen und Sparsamkeit nachgesagt.

Weil die Lebensstile und Bedürfnisse der verschiedenen Bevölkerungssegmente so stark auseinandergehen, ist es schwierig, einen gemeinsamen Nenner für die Gestaltung des neuen Ortszentrums zu finden. Es stellen sich zentrale Fragen: Wer sind wir eigentlich? Was wollen wir für ein Zentrum? Und für wen?

Weitere Anlässe: April/Mai: Online-Umfrage der Gemeinde; 3. Juli: Vertiefungsforum; 1. November: Ergebnisforum.

Wenn Sie unseren wöchentlichen Gratis-Newsletter erhalten möchten, können Sie sich gerne hier anmelden.

WIR FREUEN UNS ÜBER IHREN KOMMENTAR

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

vier × eins =

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht