Witz, Humor und geschmeidige Musik
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6. Januar 2025 – Nach «L’equivoco stravagante» und «Olivo und Pasquale» führt die Zürcher Kammeroper im Gemeindesaal dieses Jahr zwei komische Einakter von Jacques Offenbach auf: Die Opéra-bouffe «Un mari à la porte» und «Ba-ta-clan», die der Komponist eine «Chinoiserie musicale» nannte.
VON ADRIAN MICHAEL
Auch dieses Jahr sind die elf Sitzreihen im zu rund zwei Dritteln gefüllten Saal auf Podesten ansteigend aufgebaut, wodurch alle Zuschauenden gute Sicht auf die Bühne erhalten. Das neunköpfige Orchester aus Streichern und Bläsern hat seine Plätze rechts vor der offenen Bühne bereits eingenommen.
Pünktlich um 19 Uhr erlischt das Licht, der musikalische Leiter Caspar Dechmann tritt vor das Orchester, schwungvoll beginnt im Walzertakt melodiös die an Salonmusik erinnernde Ouvertüre. Schon nach wenigen Takten wird klar, dass uns ein heiteres Werk erwartet, ohne dass am Ende die Sopranistin einem Lungenleiden zum Opfer fällt oder sich der Tenor erdolcht. In der Tat, die witzigen Handlungen der beiden Werke laden geradezu ein, sie zu vertonen.
«Un mari à la porte – Ein Ehemann vor der Tür»
Beat Gärtner führt das Publikum als Sprecher mit seinen Erklärungen und Kommentaren humorvoll durch die französisch gesungene Geschichte, die ohne Untertitel wie im Opernhaus nicht einfach nachzuvollziehen wäre.
Der junge Musiker Florestan Ducroquet (Christoph Waltle, Tenor) wird mit einer verheirateten Dame in einer heiklen Situation von deren Ehemann überrascht und flieht über die Dächer. Dummerweise verwechselt er eine Dachluke mit einem Kamin. Er plumpst in ein fremdes Zimmer, hält sich aber vorsichtshalber erst mal im Kamin versteckt.
Die frisch vermählte junge Suzanne (Julia Schiwowa, Sopran) tritt aufgebracht ein, sie hat sich beim Hochzeitsfest über das Verhalten ihres Ehemannes Henri Martel (Erich Bieri, Bassbariton) geärgert. Begleitet wird sie von ihrer Vertrauten Rosita (Sara-Bigna Janett, Sopran).
Das Kaminzimmer ist auf der Bühne links aufgebaut, rechts der Raum, in dem das Hochzeitsfest stattgefunden hat. Getrennt sind die beiden Räume durch einen Korridor, von dem aus beide Zimmer betreten werden können (Bühnenbild: Paul Suter). Rosita bemüht sich vergeblich, Suzanne dazu zu bewegen, wieder zu den Gästen zu gehen. Sie gibt auf und verlässt das Zimmer.
Aber in der Zwischenzeit ist Ducroquet in seinem Kamin die Luft knapp geworden, und er klettert zum Entsetzen Suzannes heraus. Und ausgerechnet jetzt klopft der ungeduldige mari à la porte und begehrt Einlass. Was nun? Guter Rat ist teuer! Nach einigen Verwirrungen, wie sie zu einer Operette gehören, stehen zum Schluss gleich zwei Paare auf der Bühne, und alles löst sich – Überraschung! – in Wohlgefallen auf.
In der anspruchsvollen Rolle der temperamentvollen Braut Suzanne Martel überzeugt Julia Schiwowa mit einer klaren Sopranstimme. Sara-Bigna Janetts erste Bewährungsprobe erfolgt in ihrer Soloszene «Ah! Ah! Ah! Quelle mine piteuse!», die sie souverän meistert. Auch das folgende walzerselige «J’entends ma belle» zeigt, dass die beiden Sängerinnen ihren französisch gesungenen Rollen mehr als gewachsen sind.
Dazu stösst nun der charmante ertappte Liebhaber Christoph Waltle, der im folgenden schwungvollen Terzett «Juste ciel que vois-je?» mit seinem geschmeidigen Tenor das weibliche Duo kongenial ergänzt, die anspruchsvolle Nummer läuft wie ein gut geöltes Räderwerk ab – für mich einer der Höhepunkte des Abends.
Mit seiner markanten Bass-Baritonstimme ergänzt Erich Bieri als Suzannes Ehemann Henri Martel mit seiner Darstellung des eifersüchtigen, aber trotzdem liebenswürdigen Gatten das Trio zum perfekt harmonierenden Quartett.
Auch die acht Sängerinnen und Sänger des Chors tragen überzeugend zum guten Gelingen bei, immer mal wieder beleben sie als angesäuseltes Grüppchen amüsant die Szenerie.
Dafür, dass einem keine Sekunde langweilig wird, sorgt das abwechslungsreiche Geschehen auf der Bühne: Es wechseln Tempi, Schauplätze und Tonarten, Männer- und Frauenstimmen, Einzelnummern und Gruppenszenen – ein grosses Vergnügen!
Ba–ta–Clan
Nach der Pause folgt mit Ba–ta–Clan der zweite Teil. Den originalen Handlungsort, ein fiktives fernöstliches Kaiserreich mit einem Herrscher, der kein Chinesisch spricht und über 27 Untertanen regiert, hat Paul Suter in eine psychiatrische Klinik verlegt. Hier werden drei sich als Chinesen ausgebende Personen unter der Leitung eines dominanten Arztes Joseph Adolph (sehr überzeugend: Beat Gärtner) mit dem Ziel umerzogen, keine freie Meinung mehr haben zu dürfen.
Mit allen Mitteln versuchen die Ärzte und Pflegerinnen, in das Seelenleben der «Chinesen» vorzudringen. Am ehesten scheint die Therapie bei der jungen Fé-An-Nich-ton (Sara-Bigna Janett), anzuschlagen; in einer gefühlvollen Romanze erinnert sie sich an ihre französische Herkunft.
Auch bei Ké-Ki-Ka-Ko (Valérian Bitschnau) sind Fortschritte zu beobachten – in einem entzückenden terzen- und walzerseligen Duett tauschen sich die beiden aus. Beim dritten Patienten Fé-Ni-Han (Christoph Waltle) hingegen scheinen alle Bemühungen vergeblich, und so beschliessen die Ärzte, ihn zu den anderen zwei Patienten zu bringen in der Hoffnung, dass diese ihn positiv beeinflussen.
Zusammen erkennen die drei, dass sie alle Franzosen sind (Terzett «Il est français») und beschliessen zu fliehen. Auf der Flucht jedoch werden sie vom strengen Direktor ertappt… Aber natürlich auch hier (Achtung: Spoiler!): Alles kommt gut; und in einem schmissigen Finale verlässt die ganze Belegschaft unter wehenden Trikoloren die Bühne.
Der Witz der hier präsentierten Ba–ta–Clan liegt zum grossen Teil darin, dass der Einakter dreisprachig aufgeführt wird: Gesprochen wird Deutsch, gesungen wird Französisch und ein irrwitziges Pseudochinesisch mit viel lautmalerischem Silbengeplapper.
Positiv zu erwähnen ist etwas, was oft untergeht: das hübsche pantomimische «Stille Spiel» der Statisten nämlich; gut zu beobachten etwa während der Diskussionen der Ärzteschaft.
Eine kleine kritische Anmerkung sei dennoch erlaubt: Dadurch, dass die drei «Chinesen» und das Pflegepersonal in weisse Hemden oder Kittel gekleidet waren, konnten die Personen nicht spontan voneinander unterschieden werden; hier hätte mit unterschiedlichen Kostümen noch mehr für das Auge getan werden können, zum Beispiel mit Schriftzeichen auf jenen der Chinesen.
Aber nichtsdestotrotz sind es zwei äusserst gelungene Aufführungen; Sänger und Sängerinnen, Orchester und Chor meisterten die anspruchsvollen Werke mit Bravour und haben sich den grossen Schlussapplaus redlich verdient.
Tickets für die weiteren Vorstellungen am 10., 11. und 12. Januar.
Jacques Offenbach (1819-1880): Der französische Cellist und Komponist gilt als Begründer der modernen Operette als eigenständiges Genre im Musiktheater. Seine bekanntesten Melodien sind der beschwingte Cancan aus seinem bedeutendsten Werk, der Oper «Orpheus in der Unterwelt», sowie die gefühlvolle Barcarole aus der phantastischen Oper «Hoffmanns Erzählungen». Merkmale vieler seiner Werke sind schwungvolle, eingängige Melodien mit einer oft satirisch-hintergründigen Handlung mit Anspielungen auf die Sitten, Personen und Ereignisse seiner Zeit. Zu den bekanntesten Werken gehören neben den bereits erwähnten auch «Die schöne Helena», «Die Banditen» und «Pariser Leben».
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