Zahlbarer Wohnraum – ein frommer Wunsch
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22. März 2023 – «Zollikon ist attraktiv für Familien und bietet zahlbaren Wohnraum» – so steht es in den Legislaturzielen des Gemeinderats, der zunächst «die Bedürfnisse der Zielgruppen erheben und gestützt darauf Handlungsfelder definieren» will. Wie sieht die Realität aus? (1 Kommentar)
22. März 2023 – «Zollikon ist attraktiv für Familien und bietet zahlbaren Wohnraum» – so steht es in den Legislaturzielen des Gemeinderats, der zunächst «die Bedürfnisse der Zielgruppen erheben und gestützt darauf Handlungsfelder definieren» will. Wie sieht die Realität aus?
Matthias Bauer* ist in Zollikon geboren und aufgewachsen. Er hat hier seine Lehre gemacht, ist zwischendurch nach Zürich gezogen und hat vor zwei Jahren eine 2-Zimmerwohnung im Zollikerberg mit 60 m2 für 1800 Franken gefunden. «Das ist okay», sagt der 34-Jährige. Er habe einen guten Job und verfüge über ein mittleres Einkommen. Mit dieser Miete komme er finanziell über die Runden.
Doch nun planen seine Freundin und er zusammenzuziehen und eine Familie zu gründen. Auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung staunte das Paar: Selbst im Zollikerberg, dessen Mieten gern als günstiger angepriesen werden, grenze es an ein Wunder, wenn mal eine 3 ½- oder 4-Zimmerwohnung für unter 3000 Franken ausgeschrieben werde.
Seit Anfang März wurden auf Homegate im Dorf und auf dem Berg je rund ein Dutzend Mietwohnungen annonciert. Das sind die Preise:
Zollikon / Zimmer | Miete (Bemerkungen) |
---|---|
1 | 1’000.- |
1 | 1’500.- |
1 | 800.- (Zimmer) |
1.5 | 1’460.- |
2.5 | 3’600.- |
3 | 1’950.- |
3 | 2’515.- |
3.5 | 3’900.- |
3.5 | 5’400.- |
4.5 | 4’650.- |
4.5 | 5’700.- |
5.5 | 5’580.- |
5.5 | 8’950.- |
8.5 | 10’893.- |
Zollikerberg / Zimmer | Miete (Bemerkungen) |
2 | 1’295.- |
2.5 | 6’800.- (Tertianum) |
2.5 | 1’990.- |
3.5 | 2’750.- |
3.5 | 3’695.- |
3.5 | 7’400.- (Tertianum) |
4 | 2’000.- (befristet) |
4.5 | 3’500.- |
4.5 | 5’650.- |
5.5. | 5’120.- |
5.5 | 13’500.- (Tertianum) |
8 | 2’400.- (befristet) |
Fazit: In Zollikon kommen fast keine Wohnungen auf den Markt, die für Familien mit durchschnittlichem Budget genügend gross und bezahlbar sind. Viele Preise haben kaum mehr etwas mit den effektiven Kosten auf Vermieterseite zu tun. In Zollikon herrscht ausserhalb der Genossenschaften die reine Marktmiete: Je höher die Nachfrage, desto schwindelerregender die Preise. Das hat Auswirkungen auf die Durchmischung der Bevölkerung. Um an eine bezahlbare Wohnung zu kommen, braucht es eine Menge Geduld, viel Glück und idealerweise gute Beziehungen.
Matthias Bauer nickt. Vor allem in Hinblick auf die Zukunft, wenn er und seine Partnerin wegen der Kinderbetreuung die beruflichen Pensen reduzieren möchten, stelle sich die Frage, ob es Sinn mache, weiterhin in Zollikon beziehungsweise auf dem Zollikerberg zu suchen.
Alternative: Genossenschafts-Wohnungen
Vielleicht würde es etwas bringen, sich auf die Warteliste einer Wohnbau-Genossenschaft einzutragen? Bauer zuckt mit den Achseln: «Warum nicht?» Wobei ihm Kollegen erzählt hätten, dass alle, die mal eine solche Wohnung ergattert hätten, eisern an ihr festhielten. Und dass die Wartelisten lang und länger würden.
Die fünf Zolliker Baugenossenschaften verfügen laut einer Umfrage der «ZollikerNews» über insgesamt 364 Wohnungen im Dorf und auf dem Zollikerberg. Im Jahr 2022 kam es zu 25 Mieterwechseln, was einer Fluktuation von 6,9% entspricht.
Das grösste Angebot hat die Neue Baugenossenschaft Zollikon mit 179 Wohnungen. Es handelt sich mehrheitlich um 3.5- bis 5.5- bei einer kleinen Anzahl von 1.5- bis 2.5-Zimmerwohnungen. Die monatlichen Nettomieten bewegen sich zwischen 600 und 3’500 Franken.
An zweiter Stelle liegt die Siedlungsbaugenossenschaft Zollikon mit 120 Wohnungen. Hier bewegen sich die Mieten zwischen 765 und 3’110 Franken pro Monat. Angeboten werden 65 Wohnungen mit 4 bis 5.5 Zimmern, 35 Wohnungen mit 3 bis 3.5 Zimmern sowie 20 kleinere Einheiten.
Dahinter folgt die Baugenossenschaft Pro Familia mit 41 Wohnungen zum Preis von 1’030 bis 1’930 Franken. Eine durchschnittliche 4-Zimmer-Wohnung kostet lediglich 1’430 Franken. Zur Verfügung stehen 21 Wohnungen mit 4 oder mehr Zimmern und 20 Wohnungen mit 2 bis 3.5 Zimmern. Kein Wunder, gab es hier in den letzten beiden Jahren keine Mieterwechsel mehr.
Die übrigen Wohnungen entfallen auf die Baugenossenschaft Pro Zollikon (17 Wohnungen mit 3 bis 6 Zimmern für 1’400 bis 3’000 Franken) und die Junge Baugenossenschaft Zollikon, die über ein einziges Haus mit 7 Wohnungen von 3.5 bis 5 Zimmern für 1’410 bis 2’380 Franken verfügt. Wer hier einziehen möchte, muss jünger sein als 43 (ausser bei schulpflichtigen Kindern); ein(e) Partner(in) muss mindestens 10 Jahre in Zollikon gelebt haben.
Dazu kommen 132 gemeindeeigene Wohnungen mit 1 bis 5.5 Zimmern ab 500 bis 4’500 Franken.
Wartelisten vs. Bewerbungen
Die längste Warteliste führt die Neue Baugenossenschaft. Es liegen 100 Anfragen vor, und wöchentlich kommen laut der Verwalterin Barbara von Arx neue dazu. Es sei allerdings nicht immer leicht, passende BewerberInnen zu finden: «Das Angebot passt nicht zu den Ansprüchen, der Termin ist zu kurzfristig, oder die Suchenden haben inzwischen bereits eine Alternative gefunden.»
Die Warteliste der Baugenossenschaft Pro Zollikon umfasst 80 Namen. Die übrigen Genossenschaften führen keine eigentlichen Wartelisten mit Rangfolge, sondern sammeln Bewerbungen. «Wenn dann eine Wohnung frei wird, beurteilen wir, wer in Frage kommt», sagt Stephanie Schiesser, die Verwalterin der Siedlungsbau-Genossenschaft Zollikon.
Wohnungsnot in Zollikon?
Auf die Frage, ob man in Zollikon von einer eigentlichen Wohnungsnot sprechen könne, bekommt man von den Genossenschaften unterschiedliche Antworten. «Als Not kann man das nicht direkt bezeichnen», sagt Barbara von Arx von der Neuen Baugenossenschaft. Zollikon und der Zollikerberg seien «eine begehrte Wohnlage, und somit ist die Nachfrage entsprechend gross.»
Bei günstigen Wohnungen sei die Situation im Zollikerberg viel besser als im Dorf, merkt Manuela Gähwiler von der Jungen Baugenossenschaft an. Patrick Jeuch, Präsident der Baugenossenschaft Pro Zollikon schreibt: «Es gibt grossen Bedarf an zusätzlichem Wohnraum im unteren und mittleren Preissegment (jährlich 250 bis 380 Fr./m2). Umgerechnet macht das für eine Wohnung mit 70m2 Fläche monatlich 1’460 bis 2’216 Franken aus.
Renato Römer von der Baugenossenschaft Pro Familia bejaht die Frage nach der Wohnungsnot: «Insbesondere 1 ½- und 2 ½-Zimmer-Wohnungen fehlen. Es wollen viele ältere Personen aus ihren zu grossen Wohnungen oder Häusern ausziehen und finden kaum Kleinwohnungen. Auch Trennungen, Scheidungen oder Jobverlust können Mieter dazu zwingen, sich eine kleinere, bescheidenere Wohnung zu suchen. Gerade bei Trennungen/Scheidungen mit Kindern, die noch in Zollikon schulpflichtig sind, besteht ein Bedürfnis, in Zollikon wohnen bleiben zu können.»
Vernichtung von günstigem Wohnraum
Kommt dazu, dass in Zollikon regelmässig günstiger Wohnraum vernichtet und durch teuren ersetzt wird. Ein Beispiel dafür sind die Häuser Zollikerstrasse 127/129 bei der Bushaltestelle Beugi, die kürzlich abgebrochen wurden. Anstelle der preisgünstigen Mietwohnungen entstehen dort acht Eigentumswohnungen mit 3 ½ bis 5 ½ Zimmern. Sie gingen trotz wenig attraktiver Lage direkt an der Strasse weg wie frische Weggli.
Ein spezielles Ärgernis: Es gibt in der Gemeinde Wohnungen, die über Jahre leerstehen. Beispielsweise an der Rebwiesstrasse. Etablissements auf Vorrat sozusagen.
Mit all diesen Marktkräften hat es der Gemeinderat zu tun, wenn er in den nächsten Monaten seine «Wohnbaupolitik» entwirft, bei der es laut dem Liegenschaften-Vorstand Patrick Dümmler um Themen wie «Durchmischung, Familien, Wohnen im Alter und die Konditionen einer Abgabe von Land im Baurecht an Genossenschaften» gehen wird. Man sei mit ihnen im Gespräch.
Appell an die Gemeinde
Renato Römer, bei der Baugenossenschaft Pro Familie für die Vermietung zuständig, erlebt immer wieder Menschen auf verzweifelter Suche nach geeignetem und zahlbarem Wohnraum. Der Umfrage fügte er einen Appell an die Gemeinde hinzu:
«Es ist enorm schwierig, in Zollikon zahlbaren Wohnraum zu finden, wenn das Budget eng ist. Vor allem auch junge Leute, die in Zollikon aufgewachsen oder schon länger wohnhaft sind und von zu Hause ausziehen, aber noch in Ausbildung sind oder nicht allzu viel verdienen, finden in ihrer Heimatgemeinde kaum einen zahlbaren Wohnraum mehr. Sie müssen wegziehen.
Dies betrifft auch ältere Leute, die hier verwurzelt sind, ihr Leben in der Gemeinde Zollikon verbracht und sich oftmals auch durch Freiwilligenarbeit langjährig engagiert haben. Wenn sie in eine kleinere Wohnung ziehen wollen, um einer Familie die grössere Wohnung zu übergeben, haben sie keinen Anreiz mehr dafür. Eine ggf. kleinere Wohnung ist nicht verfügbar oder teurer als die bestehende Wohnung. Somit bleiben sie in der angestammten Wohnung ‹sitzen›.
Es ist dringend notwendig, dass die Baugenossenschaften auch weiterhin auf Land der Gemeinde Zollikon mit einem günstigen Baurechtszins Wohnungen erstellen können. Nur so ist gewährleistet, dass mittel- und langfristig wieder günstige Wohnungen, insbesondere Kleinwohnungen, für die Bevölkerung zur Verfügung stehen.»
Dann halt in den Aargau
Matthias Bauer und seine Freundin haben ihre Suche fürs Erste auf Eis gelegt und einen pragmatischen Entscheid gefällt: Sie zieht zu ihm in seine 2-Zimmerwohnung. Er sagt: «Je nach Entwicklung der Lage auf dem Wohnungsmarkt wäre es auch denkbar, dass wir in den Aargau ziehen, den Heimatkanton meiner Partnerin.» (bl/rs)
Morgen: Erfahrungsbericht einer Wohnungssuche in Zollikon.
* Name geändert
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Habe mit Interesse die Wohnungssituation in Zollikon/Zollikerberg verfolgt.Habe vor längerer Zeit im Rebwiesquartier und auf dem Zollikerberg gewohnt und würde gerne auf dem Zollikerberg wieder eine kl.Wohnung finden.