Zollikon führt die Protestbewegung an

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10. Dezember 2024 – Die Gemeinden, die auf ihrem Gebiet mit einer neuen Abfalldeponie rechnen müssen, reagieren unterschiedlich auf die Pläne des Kantons. Einige protestieren vehement – mit Zollikon an der Spitze. Seit Freitag läuft die 98tägige Einsprachefrist; sie endet am 14. März 2025.  

Protestbanner im Zollikerberg (Fotos: ZN, Illustration: zVg)
Protestbanner im besonders betroffenen Sennhofquartier (Fotos: ZN, Illustration: zVg)

Den harten Kern des Widerstands bilden die Gemeinden Zollikon, Egg, Buchs, Dielsdorf und Trüllikon. Alle lehnen die geplanten Deponien auf ihrem Gemeindegebiet entschieden ab. Die Argumente sind weitgehend deckungsgleich: Der geplante Standort beeinträchtige ein wichtiges Naherholungsgebiet, der zusätzliche Schwerverkehr sei unzumutbar, Fruchtfolgeflächen und seltene Pflanzen würden zerstört, das Grundwasser gefährdet.

Fünf Gemeinden – Kloten, Volketswil, Birmensdorf, Weiach und Lufingen – hätten gemäss einer Umfrage der «ZollikerNews» von Mitte November keine Probleme mit einer neuen oder erweiterten Deponie auf ihrem Gebiet.

Die Mehrheit der betroffenen Gemeinden reagiert abwartend: man wolle sich in der Phase der öffentlichen Ausschreibung in aller Ruhe ein Bild machen, ehe man sich mit den Plänen des Kantons einverstanden erklären oder rekurrieren wolle.

Die Zolliker Taktik birgt auch Risiken

Nirgends ist der Protest so umfassend organisiert wie in Zollikon, wo sich der Gemeinderat, Vereinigungen, Verbände, Parteien und Institutionen schon vor Monaten an einem runden Tisch versammelten, um Strategien zur Verhinderung der Deponie Brunnenwisen im Zollikerberg zu entwerfen. Äusserer Ausdruck des Protestes sind die vielen DepoNIE-Plakate, die vor allem im direkt betroffenen Sennhof-Quartier aufgehängt sind.

Die «IG DepoNIE-Zollikon» organisiert den Widerstand in der Bevölkerung. «Zollikon ist bislang die Gemeinde, die sich am intensivsten mit dem Thema kritisch befasst», sagt Gemeinderat Dorian Selz (GLP), der den runden Tisch moderiert. Umwelt-, Verkehrs- und Rechtsexperten wurden beigezogen, ein externer Kommunikationsberater engagiert.

«Reste unserer Zivilisation»

Vor einer Woche fand in der Aula Oescher die vierte Auflage des runden Tisches statt. Es ging darum, die bisher gesammelten Expertenmeinungen zu kommunizieren und weitere Schritte zu diskutieren. Gemeinderat Selz musste nach intensivem Studium der Unterlagen einräumen, dass der Kanton bei der Evaluierung künftiger Deponiestandorte «einen ordentlichen Job» gemacht habe: «Wir sind gegenüber anderen Gemeinden weder bevorzugt noch benachteiligt worden.»

An der letzten Gemeindeversammlung hielt er auf eine Anfrage überdies fest: «Wir müssen nüchtern feststellen, dass unsere Lebens- und Bautätigkeit Deponien bedingen. Die Reste unserer Zivilisation müssen irgendwo abgelagert werden. Der Kanton Zürich hat den Auftrag, dafür Lösungen zu finden.»

Zolliker Grossbaustelle an der Dufourstrasse: wohin mit dem Aushub?
Zolliker Grossbaustelle an der Dufourstrasse: wohin mit dem Aushub?

Ein halbes Dutzend «Angriffspunkte»

Die rund 40 Anwesenden in der Aula Oescher erfuhren, dass Zollikon im Punktesystem des Kantons an achter Stelle steht, also weit oben auf der Standort-Wunschliste des Kantons. Umso wichtiger die Strategie des Widerstands aus Sicht der Experten. Sie legten den Finger auf «Angriffspunkte», die es ermöglichen könnten, Zollikon von der Liste der 23 Standorte zu streichen:

  • Die Deponie Brunnenwisen hätte nur 80 Meter Abstand zur Wohnzone Sennhof – der Kanton gibt als Zielgrösse 500 Meter vor.
  • Der Verkehrsknoten Zollikerberg sei bereits heute deutlich überlastet und ertrage keinen weiteren Schwerverkehr.
  • Die Binzstrasse sei auch nach der laufenden Sanierung zu schmal für den zu erwartenden starken Lastwagen-Gegenverkehr mit bis zu 200 Fahrten pro Tag.
  • Der geplante Standort liege zu nahe am geschützten Wehrenbachtobel.
  • Die Zerstörung des Naherholungsgebiets widerspreche der Absicht des Kantons, solche Zonen zu erhalten und zu schützen.
  • Die Projektierung von 23 Deponien mit 53 Millionen Kubikmeter Füllmenge sei ganz grundsätzlich weit überrissen und berücksichtige das zunehmende Abfall-Recycling zu wenig.

Grosse Chancen rechnen sich die Verantwortlichen aus, weil auf Bäumen in der Brunnenwisen zwei geschützte Flechtenarten entdeckt worden sind, von denen eine nur Zehntelmillimeter misst. Es handelt sich um die versteckte Leimflechte, die in der Schweiz lediglich an sieben Orten vorkommt, sowie um die Buchen-Fettflechte, die im Kanton Zürich nur zwei Mal anzutreffen ist.

Ein eigens beauftragter Experte hatte sie aufgespürt, was Gemeinderat Selz mit Freude zur Kenntnis nahm: «Wir haben ein Ausschlusskriterium gefunden, und es sieht so aus, als ob das Kleinste am Schluss das Grösste ist.» Die Hoffnung rührt daher, dass der Kanton keine Deponien an Standorten bauen will, wo seltene Gewächse vorkommen, die auf einer «roten Liste» geschützter und gefährdeter Arten aufgeführt sind. Nach Einschätzung des Zolliker Rechtsberaters werden diese biologischen Argumente 95 Prozent der Einsprachekriterien der Gemeinde ausmachen.

«Es wird verdammt schwierig»

Generell wurden an der Versammlung kämpferische Töne angeschlagen: «Wir müssen den Preis für den Kanton zur Erstellung einer Deponie in Zollikon möglichst raufdrücken.» – «Der Kanton soll wissen, dass es in Zollikon mühsam wird.» – «Wir müssen dem Kanton signalisieren: es wird verdammt schwierig!»

Der Konfrontationskurs birgt allerdings auch Risiken. Regierungsrat Martin Neukom (Grüne) warnte bei der Vorstellung der kantonalen Pläne anlässlich einer Medienkonferenz im April: «Es wäre das falsche Signal, dass jene belohnt werden, die Widerstand leisten.»

Möglicher Deponiestandort in der Brunnenwisen (Grafik: IG DepoNIE-Zollikon)
Möglicher Deponiestandort in der Brunnenwisen (Grafik: IG DepoNIE-Zollikon)

Zollikon als «Ersatzstandort»

Obwohl der Standort Brunnenwisen in der Punkteliste des Kantons an achter Stelle steht, wird er in den neusten Unterlagen als «Ersatzstandort» bezeichnet. Die Deponie im Zollikerberg soll laut Kanton nur gebaut werden, wenn der Standort in Maur nicht realisiert werden kann oder die dortige Deponie eines Tages aufgefüllt ist. Wie ist das zu verstehen?

Laut Auskunft der kantonalen Baudirektion enthält der Richtplanentwurf Vorgaben für Gebiete, in denen es mehrere Deponiestandorte ähnlichen Typs hat. Dann soll jener Standort zuerst an der Reihe sein, der bereits deponiertes Material enthält, saniert werden muss und dann neu aufgefüllt werden kann. «Das ist beim Standort <Neuweid> in Maur der Fall, weshalb dieser Standort im Richtplanentwurf gegenüber dem nahe gelegenen Standort Brunnenwisen priorisiert wurde», schreibt die Baudirektion. Über die Festsetzung der neuen Standorte wie auch über die Priorisierung zweier benachbarter Standorte werde aber am Ende der Kantonsrat entscheiden.

Egg – ein echter Härtefall

Egg ist eine besonders stark betroffene Gemeinde. Sie müsste mit vier Deponien leben, wenn der neue Standort Erzacher bewilligt würde. Diese Konzentration hält der Egger Gemeinderat für «inakzeptabel», ja «imageschädigend». Der Kanton begründe die Ballung mit «geologischen Umständen». Der Verdacht liege jedoch nahe, «dass vor allem auch die gute verkehrstechnische Erschliessung eine grosse Rolle spielt». Der Gemeinderat will den Plänen des Kantons «mit allen Mitteln Einhalt gebieten», sich mit den Nachbargemeinden absprechen und «juristisch gegen die unsinnige Häufung von Deponien in der Region» vorgehen.

4 Deponie-Standorte auf dem Gemeindegebiet von Egg (Karte: Gemeinde Egg)
4 Deponie-Standorte auf dem Gemeindegebiet von Egg (Karte: Gemeinde Egg)

Eher auf der emotionalen Ebene argumentiert die Gemeinde Dielsdorf. Das für die Deponie vorgesehene Waldstück sei ökologisch sehr wertvoll und umfasse einen «anerkannten Wildtierkorridor», sagt der Gemeinderat. Zudem stehe dort «die mit 400 Jahren älteste Eiche des Kantons Zürich in einem einzigartigen Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten». Die geplante Rodung würde nicht nur diesen Lebensraum zerstören, «sondern auch das Erbe der Waldeigentümerin, der Haferholzkorporation, beeinträchtigen, die sich seit vielen Jahrzehnten sehr gut um den Wald kümmert».

Verbreiteter Unmut

Widerstände gibt es aber auch in Orten, deren Gemeinderäte sich erst während der nun laufenden öffentlichen Auflage ein Urteil bilden wollen. In der Zolliker Nachbargemeinde Maur fühlen sich die betroffenen Bauern Hanspeter Nef und sein Sohn Marco von ihrem Gemeinderat im Stich gelassen, nicht nur weil sie um wertvolles Ackerland fürchten, sondern weil man sie bislang übergangen hat: «Mit uns hat niemand gesprochen.» Der Dorfverein Ringwil (Gemeinde Hinwil) sammelt Unterschriften gegen den möglichen Deponiestandort Bodenweid – unter anderem, weil der Schwerverkehr die Kinder auf dem Schulweg gefährde.

Auch die Behörden in Lindau zeigen sich «alles andere als erfreut über die Pläne des Kantons». Der neue Standort sei schon vor einigen Jahren diskutiert, aber aus Gründen des Gewässerschutzes verworfen worden. Gemeindepräsident Bernard Hosang sagt, «die rudimentäre Vorinformation der Baudirektion hat unser Unverständnis und unseren Unmut nicht geschmälert». Und obwohl der Wädenswiler Stadtpräsident Philipp Kutter der Meinung ist, es brauche Deponien im Kanton, mokiert er sich darüber, dass es «immer die gleichen erwischt – ich würde mir eine bessere Verteilung der Lasten wünschen». Die Stadt werde ihre Möglichkeiten nutzen und die Vorbehalte einbringen.

Es gibt auch positive Rückmeldungen

Interessant sind auch die Argumente der zustimmenden Gemeinden. Im bewaldeten Klotener Homberg liegen unter einer dünnen Erdschicht Tonnen von teils toxischen Abfällen. Eine Pfadfindergruppe musste wegen giftiger Dämpfe einmal eine Übernachtung abbrechen, schrieb der «Zürcher Unterländer». Das Areal wurde in der Folge mit Stacheldraht eingezäunt. Der Kanton räumt ein, dass die Errichtung einer neuen Deponie nur möglich sei, wenn man den belasteten Standort vorab saniere. Für Kloten wäre die neue Deponie also Segen und Fluch zugleich, denn die  Bevölkerung kann darauf hoffen, dass nicht wieder so giftige Stoffe abgelagert würden, und wenn, dann unter Einhaltung grösserer Sicherheitsmassnahmen.

Der Gemeinderat von Volketswil hat eine bemerkenswerte Kehrtwendung vollzogen. Zunächst wetterte er gegen den geplanten Standort in unmittelbarer Nähe des Autobahnzubringers zur A15, der «schon sehr verkehrsbelastet» sei. Durch eine Deponie würde diese Belastung noch zunehmen, argumentierte der Gemeinderat, weshalb er sich «mit allen Mitteln gegen den möglichen Deponiestandort zur Wehr setzen» werde. Unsere Umfrage beantwortete er dann so: «Nach anfänglicher Skepsis stellt sich der Gemeinderat nicht mehr explizit gegen den Deponiestandort.» Dieser liege ausserhalb der Wohnzone neben einem Bau- und Entsorgungsunternehmen; der Anschluss an die Autobahn sei «ideal».

Öffentliche Auflage bis am 14. März 2025

Der runde Tisch von Zollikon ging von einer 60tägigen öffentlichen Auflage und Einsprachefrist aus. Die Spanne vom 6. Dezember bis 14. März umfasst jedoch 98 Tage. Sie ist nach Auskunft der Zürcher Baudirektion verlängert worden, weil die Weihnachts- und Neujahrsfeiertage in diese Zeit fallen und die Richtplanvorlage mit mehreren Vernehmlassungen zu Gesetzesvorlagen verknüpft werde.

Die Verantwortlichen des runden Tisches wollen nach 30 Tagen einen ersten Einsprache-Entwurf vorlegen. Die Gemeinde wird laut Selz eine eigene Einsprache verfassen, während die Interessengemeinschaft DepoNie Zollikon allen Interessierten Unterlagen zur Verfügung stellt, die es ihnen ermöglichen, dem Regierungsrat eine fundierte persönliche Einsprache zu schicken. (René Staubli)

Amtliche Unterlagen

Bisherige Artikel der «ZollikerNews» zum Thema

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